Während Onno zunächst zum Tuunpad fuhr, um nachzusehen, ob die drei sich vielleicht auf die Aussichtsdüne zurückgezogen hatten, suchte Theda zunächst beim Neuen Leuchtturm und fuhr dann weiter zum Westturm, dem Wahrzeichen von Wangerooge. Doch auch nach zwei weiteren Stunden hatte keiner der beiden eines der gesuchten Familienmitglieder zu Gesicht bekommen.


So viel Euphorie, ausgelöst durch einen brutalen Mord, machte den Hauptkommissar sprachlos. Gefolgt von seiner neuen Partnerin schwang er sich auf sein Rad. Die knapp vier Kilometer entfernte Jever-Plattform erreichten sie damit in unter zehn Minuten.

 

Auf der hölzernen Konstruktion stand ein älterer, verzweifelt aus­sehender Mann, der wild mit einer Gruppe von Touristen diskutierte. Als er die beiden Polizeibeamten entdeckte, entspannten sich seine Gesichtszüge sichtlich. »Endlich bist du da!«, rief er dem Polizisten erleichtert entgegen. Als er die attraktive Beamtin in seinem Schlepptau bemerkte, verzog er jedoch verdutzt das Gesicht. 


Als sie den Flugplatz erreicht hatten, sprinteten sie in das Gebäude, in dem die Fluggäste auf ihren Flieger warteten.

»NONKO BEHRENDS?«, rief Hauptkommissar Renken laut. Sofort waren alle Augen auf ihn und seine uniformierte Begleiterin gerichtet. »NONKO BEHRENDS?«, wiederholte er, während er sich dabei um die eigene Achse drehte und in die Gesichter der Anwesen­den schaute.

 

Einer der Wartenden reckte die Hand in die Höhe. Er war groß, sportlich und konnte allgemein als überdurchschnittlich attraktiv beschrieben werden. Sein kantiges Gesicht wurde von einem Kurz­haarschnitt und einem gepflegten Dreitagebart umrahmt. »Ich bin Nonko Behrends«, sagte er und ging auf die beiden Beamten zu. 


Doch anstatt bei den köstlichen Kuchen und Torten zu stöbern, fiel ihm eine Seite ins Auge, die ihm bei seinen früheren Besuchen noch nie aufgefallen war. Auf dieser hatten die Betreiber nämlich einige interessante Details zu der Historie des Gebäudes und seines Namens zusammengefasst. »Wusstest du, warum das hier Café Pudding heißt?«, fragte er seine neue Partnerin, nachdem er den Bericht zu Ende gelesen hatte.

Theda löste sich von der wunderschönen Aussicht und wandte sich wieder ihrem Kollegen zu. »Auf jeden Fall nicht, weil es hier nur Pudding zu essen gibt«, scherzte sie. Um ihm aber zu beweisen, dass sie sich in ihrem neuen Revier bereits gut auskannte, gab sie dann doch noch ihr Wissen zum Besten. »Soweit ich weiß, hat das irgendetwas mit dem Ausdruck ›um den Pudding gehen‹ zu tun.«

»Das trifft es ziemlich genau«, sagte Onno. »Wenn man auf Wangerooge früher nochmal kurz frische Luft schnappen wollte, dann ist man oft die Zedeliusstraße entlangmarschiert, hat eine Runde um die puddingförmige Düne gedreht, auf der wir uns gerade befinden, dabei einen kurzen Blick aufs Meer geworfen und ist dann wieder nach Hause zurückgekehrt. 


»Elske, warte!«, rief Hauptkommissar Renken einer korpulenten Frau hinterher, die gerade davonradeln wollte. Sie hatte zuvor kurz angehalten, um gegenüber einer Gruppe von Touristen einen witzi­gen Spruch über das Pottwal-Skelett zu machen, das sich im Garten des Nationalpark-Hauses befand.

Sie bremste, stellte ihre Füße auf dem Boden ab und schaute die beiden uniformierten Polizisten verwundert an. Dann erstrahlte ein breites Grinsen auf ihrem pausbäckigen Gesicht. »Kumm ik nu achter dicke Dören?« 

 

»Bitte was?«, fragte Onno leicht außer Atem. Er hatte den letzten Teil des Satzes nicht nur wegen seiner Laufgeräusche nicht verstan­den. 


Thedas Lippen hatten sich zwischenzeitlich wieder geschlossen, lächelten aber immer noch. »Ich habe bisher nur einen Tagesausflug gemacht, um mir meinen neuen Arbeitsplatz zumindest einmal anzusehen, bevor ich mich auf diesen Posten bewerbe. Das Motto, das man am Hafen zu lesen bekommt, scheint hier ja tatsächlich Programm zu sein.«

 

»Du meinst ›Gott schuf die Zeit, von Eile hat er nichts gesagt‹?«, fragte Onno, wartete allerdings nicht auf eine Bestätigung, sondern ergänzte sofort: »Das ist hier tatsächlich so.« Jetzt war er es, der zufrieden lächeln musste.